Vor einem Jahr von Correctiv aufgedeckt: Das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei dem ein Masterplan zur Remigration diskutiert wurde, ein Plan zur massenhaften Abschiebung von Menschen mit Migrationsgeschichte – auch „nicht-assimilierten“ deutschen Staatsbürgern.
Mit dabei: Silke Schröder, damals Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Sprache (VDS). Die Wellen schlugen hoch, der Verein distanzierte sich schnell und deutlich von den „privaten Tätigkeiten“ seines Vorstandsmitglieds. Die Teilnahme sei „weder mit dem VDS abgesprochen noch gar von diesem initiiert oder autorisiert“.
Es bleibt jedoch eine Frage offen:
Wie konnte eine seit Jahren in aller Öffentlichkeit aktive Rechtsextremistin in den Vorstand des VDS gewählt werden – eines Vereins mit über 36.000 Mitgliedern?
Wusste beim VDS niemand davon?
Es ist kaum vorstellbar, dass weder die Delegierten, die Frau Schröder in den Vorstand wählten, noch die Vorstandskollegen etwas von der radikalen politischen Ausrichtung von Frau Schröder bemerkt hatten. Frau Schröder hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: Fast täglich haut sie rechte Hetztiraden auf Facebook raus – unter den Followern sogar ein Vorstand des VDS. Für den Deutschland-Kurier ist sie mit verstörenden Video-Beiträgen regelmäßig als Kolumnistin aktiv – und das schon seit Jahren.
So warnt Silke Schröder z. B. vor „migrantischer Bevölkerungsdurchmischung“, einer „flächendeckenden Islamisierung Europas“, bezeichnet Migranten und Muslime, die in unser Land „einfallen“, als „kulturfern“, „bildungslos“, „analphabetisch“. Deutschland sei „kein Land, sondern eine Siedlungsfläche, auf der jeder siedeln und tun kann, was er möchte, und in dem es für das deutsche Volk – von den nirgends mehr die Rede ist – keinerlei Sonderrechte gibt.“ Nach Silke Schröder sind wir „ein Volk der Identitätskastraten mit einem völlig ungerechtfertigten, von Mitläufertum und Obrigkeitshörigkeit geprägten Vertrauen in staatliche Institutionen“.
Oder wurde Silke Schröder in den Vorstand des VDS gewählt, obwohl ihre politische Ausrichtung bekannt war? Oder wurde sie gerade wegen ihrer politischen Ausrichtung gewählt?
Keine Lehren gezogen
Der Verein hat sich zwar schnell distanziert und Silke Schröder hat den Verein verlassen. Wer aber auf eine Aufbereitung der Vorfälle gehofft hatte, wurde enttäuscht.
Stattdessen beeilt sich der Vorsitzende Walter Krämer anzumerken, es handle sich „bei Correctiv um einen fleißigen regierungstreuen Zuträger der linken Medienmafia und um alles andere als eine seriöse Informationsplattform“.
In der ersten Ausgabe des Jahres 2024 lesen wir in den Sprachnachrichten, der Vereinszeitschrift des VDS: „Lassen wir uns also in unserer Arbeit nicht von kurzfristigen Mediengewittern stören.“
Auch in der zweiten Ausgabe II/2024 geht der Vorsitzende kurz auf die Vorfälle ein:
„Hier, also bei den Mitgliedern, hat es im Kielwasser des Potsdamer ‚Geheimtreffens‘ ja einigen Wirbel gegeben. Einige Vereinsfreunde sind ausgetreten, weil wir uns zu zaghaft, ebenso viele andere, weil wir uns zu deutlich von dem dort anwesenden VDS-Mitglied distanziert hätten.“
Oliver Baer, ebenfalls im Vorstand des VDS, berichtet: „Es haben sich Regionalleiter bei uns gemeldet, die der Meinung sind, der VDS müsse sich bei Silke Schröder entschuldigen.“
Sich bei Silke Schröder entschuldigen? Mitglieder treten aus dem VDS aus, weil er sich zu deutlich von einer Rechtsextremistin distanziert?! Das lässt tief blicken…
Beim VDS freut man sich indes über den „positiven Nebeneffekt der medialen Aufregung“, den „Aufmerksamkeitsschub“ und die „zahlreichen Neueintritte seit Beginn des Jahres“. Der Vorsitzende stilisiert den Verein zum „Brückenbauer“, in dem alle, unabhängig von ihren Weltanschauungen, willkommen wären. Als Vergleich nennt er die Freiwillige Feuerwehr. Ein wirklich schöner Vergleich, aber: Auch in der Freiwilligen Feuerwehr würde man wohl keine Mitglieder wollen, die privat mit Brandstiftern sympathisieren, oder solche, die nur dann zum Löschen bereit wären, wenn es sich um Häuser von Deutschen handelt.
Rechtes Gedankengut beim VDS weiterhin hoffähig
Beim VDS ist rechtes Gedankengut weiterhin durchaus zuhause und wird hofiert – nicht nur als „Privatsache“ der Mitglieder. Im zehnköpfigen Vorstand gibt es offene Sympathien für die AfD, ein Vorstandsmitglied sitzt sogar für die AfD im Kreistag. Prominentes VDS-Mitglied ist beispielsweise auch der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der dem völkischen Flügel der AfD zugrechnet wird. Es gibt zwar einige Vorstandmitglieder, die sich von der AfD abgrenzen, aber solche Aussagen scheinen im VDS nicht mehrheitsfähig zu sein.
Und der Vorsitzende Walter Krämer? Ist der als langjähriges Mitglied der FDP nicht über jeden Extremismus-Verdacht erhaben? Leider nicht. Walter Krämer pflegt seine Verbindungen zur rechten Szene. Er veröffentlicht auf sehr weit rechts stehenden Plattformen und stellt sich dort immer wieder für Interviews zur Verfügung. Eine seiner Gesprächspartnerinnen: Silke Schröder. Zur überzogenen Rhetorik des VDS, die an vielen Stellen an extremistische Hetze erinnert, trägt auch der Vorsitzende tatkräftig bei.
Populistische Denkmuster und überzogene Rhetorik
Das macht besonders traurig: Ein Verein, der gegen sprachliche Verrohung kämpft, verwendet selbst sehr rohe Denk- und Sprachmuster, die deutliche Parallelen zum Duktus von Populisten und Extremisten aufweisen:
Diffamierung Andersdenkender
So werden z. B. Menschen, die (nach Ansicht der VDS) unnötige Anglizismen verwenden, verunglimpft als:
„Sprachpanscher“, „Amitümler“, „Schwätzer“, „Dummschwätzer“, „Spinner“, „Kleingeister“, „Zurückgebliebene“…
Wer sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemüht, wird ebenfalls mit „Dummschwätzer“ bezeichnet. Walter Krämer spricht z. B. auch von „durchgeknallten Berufsemanzen“, „Sprachterroristen“ und „durchgeknallten Genderneurotikern“.
„Gemachte“ Überfremdung
Die Angst vor einer „Überfremdung der deutschen Sprache“, die der VDS schürt, erinnert an rechte Verschwörungsmythen:
„Unser heutiges Denglisch wird ‚gemacht‘. Selbsternannte rohe Sprachmeister, die über große Verbreitungsmacht verfügen, bringen englische Wörter in den öffentlichen Umlauf und „machen“ unsere Sprache. Die Anglizismen verdrängen deutsche Wörter.“
„Die Gehirnwäsche aus Hollywood hat uns jeden vernünftigen Nationalstolz ausgetrieben.“
Einer Ausgabe der VDS-Sprachnachrichten war ein Aufkleber beigelegt: „Stoppt die Amerikanisierung unserer Sprache und Kultur!“, mit dem sich die Mitglieder wehren sollten gegen die „zwangsweise Einführung des ‚American Way of Life‘ im Rest der Erde“. Laut VDS droht die „Anglisierung der deutschen Sprache“ durch die „Wortbastarde“ der „über uns hereinbrechende Flut von Anglizismen“.
Zwangs-Sexualisierung mit System
Auch der Diskurs um eine geschlechtergerechte Sprache wird nach Ansicht des VDS gesteuert, und zwar von „einer totalitär feministischen Sprachpolizei“, einem „Hohen Gericht der Emanzipation“, unterstützt vom „System Duden“, das eine „Zwangs-Sexualisierung der deutschen Sprache“ betriebe.
Ekelhafte Metapher in diesem Zusammenhang: „Gendern als Vergewaltigung der deutschen Sprache“.
Sprachgesundheit in Gefahr
Neben sprachlichen Bildern aus den Bereichen Verbrechen, Krieg und Katastrophen werden auch Metaphern aus dem Gesundheitswesen häufig gebraucht:
In einem Beitrag von Walter Krämer für die Plattform „Achse des Guten“ [!] – treffend betitelt mit „Dringend gesucht: Medizin gegen Genderpest“ – heißt es beispielsweise: „Und zu einem sprachlichen Krebsgeschwür scheint sich die angestrebte Verstümmelung in Richtung der Mehrgeschlechtlichkeit auszuwachsen.“
Der VDS spricht von „zerstörerischen Eingriffen“, „unorganisch“, und immer wieder die „wahre Pest“.
Und das alles „von oben verordnet“.
Obrigkeitsstaat und Lügenmedien
Auch diese Denkmuster sind beim VDS zuhause:
Der VDS spricht beispielsweise von „obrigkeitsstaatlichen Eingriffen“, davon, dass das „Gendern obrigkeitsstaatlich von oben nach unten verordnet“ würde und – in anderem Kontext – von der „Unterwerfung der Medien unter eine obrigkeitsstaatlich verordnete Einheits-Sichtweise der Dinge“.
Die „regierungstreuen Zuträger der linken Medienmafia“ hatten wir schon weiter oben in Zusammenhang mit den Correctiv-Berichten. Vom „Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenmedien“ sprach der Vorsitzende bereits vor einigen Jahren.
Fazit: Gemeinnützigkeit und Gewissen?
Ein Jahr nach Bekanntwerden der Teilnahme eines VDS-Vorstandsmitglied am „Remigrationstreffen“ in Potsdam fällt das Fazit ernüchternd aus: Der VDS hat die Sache nicht wirklich aufbereitet und keine Lehren daraus gezogen. Weiterhin pflegt der Verein – auch auf Vorstandsebene – seine Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Weiterhin bedient er sich einer verstörenden Rhetorik mit populistischen und nationalistischen Denkmustern. Und weiterhin gibt es viele durchaus ehrenwerte Mitglieder, die all das nicht wahrzunehmen scheinen oder sich nicht daran stören.
Nutzt der VDS der Allgemeinheit? Kann man mit gutem Gewissen Mitglied sein? Obwohl es im VDS auch viele gibt, denen die deutsche Sprache wirklich am Herzen liegt, und obwohl bei den Aktivitäten des Vereins auch einiges Positive mit dabei ist, müssen beide Fragen wohl klar mit „Nein“ beantwortet werden.
Selbst wenn man manche Anglizismen für unschön hält oder sich an einigen Vorschlägen zur geschlechtergerechten Sprache stört: Den Verein Deutsche Sprache kann man nicht guten Gewissens unterstützen.
Anmerkung:
Zu allen Zitaten liegen mir die Originalquellen vor. Wenn gewünscht, kann ich gerne die Quellenangaben zur Verfügung stellen.
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